Mein letzter Einwurf in diesem Thread zu diesem eher allgemeinen Aspekt als Antwort auf Mike:
Den Guantanamo-Vergleich polemisch oder „emotional übertrieben“ zu finden, bedeutet für mich, den Datenschutz nicht ernst zu nehmen.
In beiden Fällen geht es um die Verletzung höchstrangiger Rechte, nämlich von Menschenrechten.
In beiden Fällen geschieht das durch die „Technik“, bestimmte Personengruppen einfach vom Recht auszunehmen, indem man sie als Nicht-US-Staatsbürger einkategorisiert.
Technik, so geil sie auch manchmal (die ersten Jahre) anmutet, ist trotzdem nur die „halbe Miete“, da die Gegner unserer Privatheit sowohl finanziell als auch technologisch überlegen sind (u.a. NSA), haben wir allein auf dem Weg der Technik permanent mit Nachteilen zu rechnen.
(Man denke an die Korrumpierung wichtiger Verschlüsselungstechniken durch die NSA - danke Snowden.)
Privatheitsschutz ist kein Luxusgeschenk der Regierung an uns Bürger, er ist staatsnotwendig.
Nein, er ist nicht zum Spaß ein Menschenrecht (Art. 8 EU-Grundrechtecharta).
Ja, genauso wie das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrheit und Freiheit.
Gleichrangig.
Das sage nicht ich, sondern unsere Rechtsordnung.
Warum?
Weil ohne Datenschutz = Privatheitsschutz weder Menschenwürde (Art. 1 GG !) noch Demokratie noch Rechtsstaat funktionieren können.
Mal ernst nehmen?
Ist ja nicht meine Idee.
Ist ja keine neue Idee.
Ist ja nicht so, dass ich oder sonstwer das fordert: Es fordert der Gesetzgeber in EU und (!) Deutschland (und vielen weiteren EU-Einzelstaaten), d.h. der Chef unserer Demokratie.
Ja, Datenschutzverletzungen tun nicht unmittelbar weh, wie ein Hammer auf den Finger.
Ja, Datenschutzgesetze sind besonders abstrakt, da sie Abstraktes abstrakt regeln (müssen).
Das heißt aber nicht, dass sie ohne guten Grund seit Langem Freiheitsstrafen androhen (§ 42 BDSG). Das heißt nicht, dass das erste, was autoritäre Regierungen abschaffen, der Datenschutz ist.
Warum? Weil ohne Datenschutz der Bürger zum Objekt wird, zum leicht zu manipulierendem Untertan.
„Niemand hat, der nichts zu verbergen hat, hat etwas zu befürchten!“, heißt es dann wieder.
Immer noch, bzw. schon wieder, noch im Jahr 11 ‚nach Snowden‘, so zu tun, wie es vor allem die „laute“ Wirtschaft und konservative Regierungen es bis zum Erlass der DSGVO taten, halte ich für rückschrittlich: Heiligsprechung der Technik, mickrige Geldbußen in der Praxis, OBWOHL sogar Freiheitsstrafen nach dem alten BDSG schon lange möglich waren.
Es hat auch lange niemanden gekümmert, dass die Datenschutzbeauftragten der Länder, also die Datenschutzaufsichtsbehörden abhängig von der Landesregierung waren und daher ein böser Anruf des Rechtsanwalts des „betroffenen“ Unternehmens beim Staatssekretär des zuständigen Ministers ausreichte, jedwede Sanktionierung durch diese Datenschützer extrem abzumildern oder gar in den Papierkorb wandern zu lassen.
Erst durch den EU-Vertrag wurden die EU-Staaten gezwungen, gegen großen Widerstand*, die Datenschutzaufsichtsbehörden unabhängig zu machen. Wobei es Merkel geschafft hat, die Umsetzung in ihrem Bereich („Bund“) um fast sieben Jahre zu verzögern, bei den meisten Bundesländern ging es binnen zwei, drei Jahren.
Nun haben wir endlich unabhängige Datenschutzaufsichtsbehörden und per DSGVO nennenswerte Geldbußen, langsam bewegt sich etwas, während wir allerdings fast alle stündlich hundert Mal mehr persönliche Daten in die USA „versprühen“ als noch vor 20 Jahren.
Das heißt, das Problem ist insgesamt dennoch größer geworden. Problem? Ja, Aushöhlung von Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat durch Totalüberwachung.
- Man schaue sich einmal an, mit welchem Engagement der damalige Innenminister Schäuble der österreichischen Bundesregierung helfen wollte, deren Bundesdatenschutzbeauftragten DOCH noch in Abhängigkeit zu halten. Er mischte sich offiziell (als eine Art amicus curae) in den Prozess in Österreich ein, natürlich in der Hoffnung, dass er dann auch entsprechende, altegewohnte Daumenschrauben beim eigenen Bundesdatenschutzbeauftragten noch weiter anlegen zu können.