Ursprünglich veröffentlicht: https://www.kuketz-blog.de/massenueberwachung-als-dienstleistung-der-handel-mit-standortdaten/
1. Einleitung Eine Recherche von netzpolitik.org und BR zeigt, dass Datenhändler über Milliarden von Handydaten verfügen. Ein Datenhändler stellte den Journalisten eine Gratisprobe von 3,6 Milliarden Standortdaten aus Deutschland zur Verfügung, zusammen mit einer Mobile Advertising ID (MAID) wie z.B. der Google Advertising ID des Betriebssystems Android. Für die Journalisten war es ein Leichtes, an diese Daten zu gelangen und daraus Bewegungsprofile zu erstellen. Es war verstörend einfach, an diesen Datensatz ranzukommen. Wir haben uns einfach mit echtem Namen und der Adresse der Redaktion auf einem deutschen Marktplatz registriert. Und wir haben gefragt: Wer hat Ortsdaten aus Deutschland. Und dann…
Diese Meldung macht mich so traurig…
Seit JAHREN weiß man eigentlich, dass das passiert (hab in der Mediathek des ÖRR einen Beitrag aus dem Jahr 2016 gefunden) und trotzdem passiert nichts.
In dem Beitrag wird das auch gegenüber der Politik kommuniziert. Da scheint es noch immer großes Unwissen oder Ignoranz zu geben. Und nein, wer jetzt denkt, dass eine rechte Partei da besser wäre, irrt selbstverständlich gewaltig!!!
Wenn man Freunde und Bekannte damit konfrontiert und Hilfe anbietet, erntet man nur Schulterzucken und Ablehnung nach dem Motto „Können sie gerne von mir haben, ich interessiere die doch nicht!“
Die Meldung bestärkt mich aber auch darin, meinen radikalen Kurs weiterzuführen:
- GrapheneOS mit sehr striktem RethinkDNS und so wenig Apps wie möglich und so viele wie möglich davon aus dem FDroid-Store.
- Linux mit sehr striktem asn_ipfire-Skript. Wann immer deswegen eine Verbindung nicht aufgebaut werden kann, wird der Tor-Browser angeschmissen. Falls Cloudflare dann jammert, dann muss man halt verzichten.
Es könnte einem schlecht werden, wenn man die beschriebene Entwicklung gedanklich fortführt. Ich kann mich noch an die Entrüstung nach den Snowden-Leaks erinnern und heute liefern wir unser gesamtes Privatleben auf einem Präsentierteller für den Höchstbietenden und die Geheimdienste gehen munter bei Meta, Apple und Google einkaufen. Gilt das für die NSA eigentlich schon als ‚Outsourcing‘?
Leider krankt der Beitrag wie viele ähnliche Versuche daran, dass er zu den falschen Leuten predigt. Leute der „Ich hab’ doch nichts zu verbergen“-Fraktion werden sich garantiert nicht durch so eine Textwüste quälen.
Da bräuchte es schon einen guten, dystopischen Science-Fiction, der das Thema optisch gut aufbereitet vorkaut.
„Fandest du das Geräusch von dem Roboter auch so geil, als er diesem Typen da seine Bürgerrechte weggezappt hat?“
Wurde das nicht schon lange massenhaft durchgekaut? Bin kein ausreichend guter Kenner, um jetzt spontan einige Titel nennen zu können…
Erst, wenn die Bäume fallen, stehen die Menschen auf. Erst dann, wenn es einen selbst oder jemand Nahestehenden betrifft, könnte so ein Denken einsetzen. Aber selbst dann wird es meiner Ansicht nach nicht oder nicht unmittelbar passieren, weil dann – passend zum Zeitgeist – die Schuld bei anderen gesucht wird. Dann fragt man plötzlich wieder nach einem Staat, der Dinge reglementiert. Wenn man JETZT Dinge reglementiert, dann wird das als Freiheitsberaubung abgelehnt und die Leute rasten aus.
Habe ein bisschen Zeit gehabt (grob ne Woche), das alles zu reflektieren. Hab ich wirklich getan! Wahrscheinlich kann man als datenschutzsensibler Nerd, der sich um seine Mitmenschen sorgt, sich nur damit abfinden, dass nun einmal nicht alle Menschen so ticken wie man selbst. Am Ende des Tages leben sie vielleicht sogar ein besseres Leben, weil sie sorgenfreier sind. Vielleicht ist es das, worauf es letztlich wirklich ankommt? Gefühlte Privatsphäre (man bemerkt es ja nicht unmittelbar) bei einem sorgenfreien Leben, in dem man die Bequemlichkeit der Moderne voll auskosten kann. Unwissenheit ist halt meist ein Segen. Und die Anzahl Leute, die wirklich effektiv einen Nachteil durch ihr sorgenfreies Agieren zu spüren bekommen, sind und bleiben ja in der Minderheit.
Für mich persönlich ist dieser Zug abgefahren. Ich habe mein digitales Leben mit wachsendem Wissen zwar erweitert, aber zeitgleich immer weiter datenschutzmäßig optimiert, auch massiv durch die Snowden-Leaks beeinflusst. Da gibt es kein Zurück mehr. Das Leben wird dadurch zu Teilen durchaus anstrengender. Klar wäre es bequemer, immer mit Karte zu bezahlen, einfach das Smartphone ansprechen mit „Hey Google“ bzw. „Hey Siri“, keine Cloudfront-Test machen zu müssen, einfach den Browser die Zugangsdaten eintippen lassen, einfach Windows zu benutzen wie jeder normale Mensch, über Soziale Medien mit Menschen in Kontakt bleiben, die dann auch über einem selbst wissen, dass man noch existiert, einfach Whatsapp benutzen, hat ja jeder, wer braucht denn dann Signal oder Threema oder was auch immer. Kann man noch ausbauen: Einfach immer nen To-Go-Becher nehmen und danach wegschmeißen, ist doch bequem, einfach immer das Auto nutzen statt Fahrrad, Bahn etc., einfach irgendwohin in Urlaub fliegen und da die Sau rauslassen, damit man von seinen Saufeskapaden erzählen kann und alle jubeln einem dafür zu, … Einfach auf alles scheißen!
Wäre es nicht manchmal schön, so sein zu können? Ich kanns nicht… Mache gefühlt alles richtig, aber kriege es von außen kaum rückgemeldet. Das macht zumindest mich schon oft traurig!
Kann man es den Leuten wirklich verwehren, so zu leben? Sie leben dadurch mehr in der momentanen Wirklichkeit. Ich persönlich fühle mich allein dadurch schon recht fremd in dieser Welt. Wer begibt sich schon aktiv, aus eigenem Antrieb in so eine Ecke, in der es durchaus einsam sein kann?
Es war jetzt eigentlich nicht geplant, so nen Text zu verfassen, der sprudelte jetzt irgendwie aus meinen Fingern. Ich lasse ihn aber mal stehen und lösche ihn nicht, weil ich mir sehr gut vorstellen kann, dass manche hier diese Gedanken auch haben.
Ich denke nicht. Meiner Meinung nach sind wir als Gesellschaft durchaus zu einschneidenden Änderungen fähig, wenn das entsprechende Problembewußtsein vorhanden ist. Mit technischen Debatten wird das aber nicht funktionieren. Als Beispiel für einen besseren Ansatz verweise ich dazu auf die beiden Videos von John Oliver’s Last Week Tonight über ‚Data Brokers‘ und ‚Edward Snowden‘.
https://www.youtube.com/watch?v=wqn3gR1WTcA#t=19m45s
https://www.youtube.com/watch?v=XEVlyP4_11M#t=23m44s
Wenn wir das Problem aus diesem Winkel angehen, könnten wir etwas ändern.
Ich denke, dass vielen das Ausmaß nicht klar ist und es auch nicht deutlich genug kommuniziert wird. Die Standortdaten sind neben vielen anderen Daten ein Sicherheitsproblem und werden signifikant unterschätzt. Einigen scheint auch nicht bewusst zu sein, dass diese Daten von anderen Unternehmen gehandelt werden und sich Bewegungs-/Verhaltensabläufe nachvollziehen lassen.
Länder wie China nutzen solche Daten im Rahmen von Big Data, um die Bevölkerung zu kontrollieren und zu manipulieren. Zu der aktuellen Entwicklung gibt es eine tolle Dokumentation von ARTE zu der Datenthematik in China. Sie geht weit über die Standortdatenthematik hinaus.
Link: https://www.youtube.com/watch?v=NZBZBGiLGbI
Wenn solche Dokumentationen öfter geschaut und auch verstanden werden, wäre die Sicht auf die Dinge und die Datensammelwut mancher Konzerne und Staaten eine negativere als aktuell.
Stimmt.
Aber dann müsste unser Staat die Daten auch gegen den Willen seiner Bürger missbrauchen und das sehe ich im großen Stiel nicht.
Ich habe das Thema gestern als 11km-Podcast gehört und war (obwohl mir das Problem im Grundsatz bewusst ist) schon erschüttert, zum Beispiel, wie sorglos selbst Mitarbeiter in nationalsicherheitsrelevanten Bereichen damit umgehen.
Standortdaten freizugeben, weil es Komfort bringt, ist sehr weit verbreitet. Gerade wer häufig online navigiert, weiß das zu schätzen. Aber auch für Wetterdienste, Veranstaltungsapps, Fahrplanauskünfte etc. kann es sinnvoll sein. Viele machen sich aber nicht die Mühe, Einzeleinstellungen vorzunehmen, sondern erlauben allen Apps alles.
Ich selbst bin relativ strikt. Ich habe Standort für alle ausgeschaltet, auch für den Kartendienst (Openstreetmap). Ich muss aber bei jeder Nutzung das Lügen-Popup „App benötigt Zugriff auf den Standort“ wegklicken. Lügen-Popup deshalb, weil dieser Zugriff für die meisten Nutzungen (von mir) nicht erforderlich ist. Ich gebe Orts- oder Straßennamen ein (manchmal auch Koordinaten) und habe den gewünschten Kartenausschnitt. In Städten kann ich mich damit ebensogut zurechtfinden wie mit einem analogen Stadtplan. In seltenen Fällen, wenn ich (zB beim Wandern) doch nicht sicher bin, wo genau ich mich befinde, schalte ich den Standort nur fallweise ein, sonst nicht.
Bein Wetter (Cirrus) habe ich meine häufigsten Aufenthaltsorte hinterlegt, und einmalige kann ich temporär hinzufügen. Und beim Fahrplan mache ich mir halt die kleine Mühe, meinen Abfahrtsort händisch einzugeben.
Ich würde trotzdem gern wissen, ob das ausreicht, um mich vor Standortbestimmungen durch Dritte zu schützen, oder ob Apps Schlupflöcher finden, ohne meine Zustimmung meinen Standort zu bestimmen. In den Android-Einstellungen (8.1.0 mit Shift-OSL, eine Lineage-Anpassung) ist der Standortmodus aus, sowohl generell als auch auf App-Ebene.