Kommentar zur Kampange Safer Sexting - Liebe Mädels…
Content Warning: Dieser Artikel enthält Passagen wo es um Stalking, Veröffentlichung von Nacktbildern, möglichen Missbrauch und ähnliches geht. Bitte überlegt, ob ihr das lesen möchtet. Solltet ihr von Cybergrooming betroffen sein oder solltet ihr Bilder erhalten haben, die ihr nicht erhalten wolltet, dann sucht euch bitte eine Vertrauensperson und/oder sucht euch professionelle Unterstützung
Das ist ein Artikel, bei dem man nicht genau weiß, wo man anfangen soll und vor allem, wie man es formulieren soll ohne als “Boomer” oder “Mutti” zu wirken, die einem heute erzählt, wie der Hase läuft. In erster Linie richtet sich der Artikel an Frauen und vor allem an junge Mädchen.
Vor kurzem bin ich auf ein Projekt aufmerksam geworden, das sich in erster Linie an Jugendliche richtet:
Die Kampagne Safer Sexting. Sagen wir es so: Sie ist gut gemeint, schießt aber in einigen Punkten am Ziel vorbei.
Das Ziel von Safer Sexting:
Wir erklären dir auf dieser Seite, was du über Sexting und die Verbreitung von erotischen Fotos und Videos wissen musst, damit du sicherer unterwegs bist.
und
Kleiner Hinweis noch vorab: Auf dieser Seite geht es um die Herstellung und das
Versenden von Nudes und was man über mögliche Konsequenzen wissen muss. Wenn
du dich dafür (noch) überhaupt nicht interessierst, dann musst du das hier nicht lesen. Diese Seite ist ein Angebot.
Grob zusammengefasst geht es bei safer-sexting um folgende Fragen:
- Möchte die andere Person Fotos von dir?
- Schickt ihr euch Fotos von euch selbst?
- Vertraust du der anderen Person?
- Willst du selbst fotografiert werden?
- Ein paar Hinweise, ab welchem Alter was erlaubt ist.
Klingt auf den ersten Blick gar nicht so schlecht, aber wo sind die Grauzonen?
Technik und Vertrauen
Davon ausgeschlossen sind solche pornografischen Fotos oder Videos, die du von dir selbst aufnimmst. Rechtlich gesehen darfst du dich selbst fotografieren und dieses Material auf deinem Smartphone speichern. Wenn du diese Fotos oder Videos von dir verschickst, sind wir allerdings wieder beim Thema Verantwortung. - Quelle: safer-sexting.de
Die gesamte Kampagne dreht sich um das Thema Senden und Verantwortung. Wenn ich das Wort “sicher” stellt sich aber auch die Frage “wohin” wird das geschickt? Das wird in der ganzen Kampagne nicht einmal am Rande erwähnt.
Dass Mitarbeiter großer Unternehmen intime Aufnahmen von Kunden anschauen und teilweise sogar veröffentlichen, ist eine echte Gefahr. Wenn sich diese Seite an junge Mädchen und Mädchen und Frauen richtet, dann ist das auch etwas, worüber man reden sollte. Obwohl es viele Kampagnen gibt, entscheiden sich die meisten Frauen nicht für technische Berufe und viele Mädchen gehen sehr naiv mit der Technik um, die sie täglich benutzen, und sind sich der Gefahren oft gar nicht bewusst. Deshalb ist ein: “Dieses Bild kann von mehr Menschen gesehen werden als nur vom Adressaten (auch wenn dieser es nicht weiterleitet)” nicht verkehrt. Oder was ist, wenn das Foto nur “mental” lokal auf dem Smartphone ist, der Person aber nicht bewusst ist, dass alles auf ihrem Smartphone in die Google/iCloud etc. als Backup wandert und alle Inhalte dort von Unternehmen ggf. nach verdächtigen Inhalten durchsucht werden?
Generell wird auch die Chatkontrolle nicht erwähnt oder welche Unternehmen ihre Dienste regelmäßig auf verdächtige nach verdächtigem Material scannen. Was ist die Chatkontrolle? Vereinfacht gesagt handelt es sich um ein geplantes Gesetz, das alle privaten Nachrichten auf verdächtiges Material scannt oder dies plant zu tun. Dabei muss es sich nicht einmal um Nacktbilder handeln, es kann auch ein heftiger Flirt sein, wenn der Verdacht besteht, dass die Person oder eine der beteiligten Personen minderjährig ist. Der Youtuber
“The Morpheus” hat dazu einige gute Erklärvideos herausgebracht.
Bevor also junge Frauen Bilder von sich machen, sollte man sie auch darüber aufklären und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das, was geteilt wird, nicht unbedingt privat ist. Denn wenn im Nachhinein bekannt wird, dass diese Bilder auch von der Polizei, von Mitarbeitern einer Firma gesehen oder gar
verbreitet wurden, dann passiert genau das, wovor die Kampagne eigentlich warnt: Die Bilder gelangen in fremde Hände und die betroffene Person kann sich schämen/unbehaglich fühlen.
Das Thema mit jemanden “vertrauen”
Wir leben in digitalen Zeiten, wo auch bei vielen das Dating und kennenlernen online stattfindet. Kennen und Vertrauen sind in dem Bereich vage Begriffe.
“Love-Scamming”, also wenn jemand mit einer Fake-Identität versucht eine Beziehung aufzubauen, um die Opfer (finanziell und emotional) hinters Licht zu führen passiert beinahe täglich. Die Täter sind clever, übernehmen teilweise Identitäten, Faken mit KI und mehr. Die Opfer sind meist ältere Damen, aber das Prinzip das es sich um eine Fake-Identität handelt, auch wenn man dieser vertraut und meint sie online zu kennen, ist präsent. Diese Taktik wird jedoch nicht nur eingesetzt, um ältere Damen finanziell abzuziehen.
Nur wenn du das “wirklich” willst
Bei diesem Satz läuft es einem kalt den Rücken hinunter. Wie viele von euch kennen jemanden oder sehen sich selbst, wenn Sie Frauen oder junge Mädchen sehen, die glauben das tun müssen, um den Mann an sich zu binden? Man sollte nicht Mädchen bereit sind zu tun, um den Schwarm ihrer Träume nicht zu verlieren. Er (der Schwarm) muss manchmal noch nicht einmal etwas tun oder sie dazu auffordern, aber viele denken, wenn er sich von ihnen abwendet, dass sie etwas tun müssen, um ihm einfach mehr zu gefallen und ihn so an sich zu binden, damit er nicht wegläuft. Wenn das passiert, dann hilft oft auch gutes Zureden nicht mehr, weil die Betroffenen dann in ihrer ganz eigenen Realität. Und dann wird es gefährlich. Vielleicht machen sie dann Fotos, die sie in diesem Moment freiwillig machen, aber wenn die rosarote Brille ab ist, dann bereuen sie es.
Da ich im Hinterkopf hatte, dass es mal eine Studie gab, die zeigte, dass Mädchen, die sich besonders gerne Online zeigen ein eher geringes Selbstwertgefühl haben, habe ich nach dieser Studie gesucht. Die ersten Suchergebnisse waren Pornoseiten, so viel dazu. Leider habe ich die Studie nicht nicht gefunden und kann das daher auch nicht weiter belegen, dafür aber eine Menge fragwürdiger Tipps im Sinne von: “Je mehr Bilder du von dir machst, desto größer wird dein Selbstbewusstsein”, speziell für Mädchen.
Kontaktaufnahme
Besucht man die beworbene Kontaktaufnahmenseite von FragZebra, so wird sehr präsent mit der Kontaktaufnahme über WhatsApp geworben.
Etwas weiter unten ein Hinweis zur Verwendung von weiteren Messengern.
Wir arbeiten kontinuierlich an der Erreichbarkeit über andere Kanäle und Messenger, wie Threema oder Signal. Schau deshalb immer wieder auf ZEBRA vorbei. Bald kannst du uns auch über weitere Kanäle erreichen!
Dies ist jedoch nur eine Anmerkung. Weder Threema noch Signal werden derzeit angeboten, obwohl bekannt ist, dass es auch diese Messenger gibt.
Wir sprechen hier von einem offiziellen Angebot der “Landesanstalt für Medien
NRW”, die durchaus wissen sollte, wie einsatzfähig WhatsApp ist, was es bedeutet, sich über WhatsApp auszutauschen, wie es mit dem Datenschutz aussieht und dass man hier mit wahrscheinlich Minderjährigen kommuniziert.
Wer gibt diese Tipps?
Wie schon beim SCHAU HIN-Beitrag habe ich mich gefragt, welchen fachlichen Hintergrund die Personen haben, die diese Tipps in die Welt tragen. Da das Projekt von der Landesanstalt für Medien in NRW ist, habe ich mir angeschaut, wer zur Landesanstalt für Medien in NRW gehört.
Dazu gehören einige Mitglieder des Landtags NRW (verschiedene politische Parteien), die katholische Kirche, die evangelische Kirche, diverse Verbände wie der Kinderschutzbund und als einziger “technischer” Verband der Bitkom. Von den Politikern des Landtags ist niemand gelistet der einen einen technischen Hintergrund hat.
Fazit und Appell
Mir ist dieser Kommentar nicht leicht gefallen. Teilweise musste ich beim Lesen auch mehrmals abbrechen. Mir ist klar, dass viele diese Themen eher als gesellschaftliches Problem und nicht speziell als Datenschutzproblem betrachten. Aber für mich hängt das zusammen und ich finde es wichtig, gerade wenn es um selbstbestimmtes Handeln mit digitalen Medien geht, dass man auch darauf achtet und soweit aufgeklärt ist und wird, was man da tut und wer welche Daten potentiell empfangen kann.
Ich bin kein Psychologe, aber als Frau tun mir diese Tipps in der Seele weh und wenn ich damit nur eine junge Dame erreiche, dann macht mich das schon glücklich. Mein Appell an Mädchen und junge (oder auch ältere) Frauen da draußen: Viele verwechseln Selbstbewusstsein mit Narzissmus. Selbstbewusstsein bedeutet nicht, dass du besonders stolz auf dich bist oder besonders sicher
auftreten kannst. Selbstbewusstsein, du bist dir deiner Selbst bewusst, bedeutet, dass du dich kennst und akzeptierst, trotz deiner Macken.
Wenn ein anderer das nicht tut und sich von dir abwendet, solltest du wirklich darüber nachdenken, ob so eine Person, solche Fotos verdient hat.
Für Väter, große und kleine Brüder: Ihr tragt auch erheblich dazu bei, wie sich das Selbstbewusstsein eines Mädchens oder später einer Frau entwickelt, also unterstützt sie darin ihren eigenen Wert zu erkennen. Das bindet einen Mann im Zweifel mehr als ein paar Bilder und wenn es richtig schlecht läuft, dann verliert der Mann vielleicht auch noch den Respekt vor euch beim erhalt
solcher Fotos. Mich wundert es, dass ich diese Sätze hinzufüge und nicht die katholische oder evangelische Kirche stellvertretend den Moralapostel vertritt, obwohl in der Sache (meines Erachtens) dies durchaus angemessen wäre.
Und das sind Punkte, die ich mir eigentlich in so einer Kampagne, egal wie altbacken das klingen mag, gewünscht hätte. In einigen Hackspaces hat man mit solchen Dingen ständig zu tun und hört viele Geschichten, daher ist es umso wichtiger, das Thema entsprechend umfassend zu betrachten.
Und an alle anderen: Werdet aktiv und meldet Material online, wenn man davon ausgehen kann, dass kein Konsens vorhanden war, um es zu teilen. Egal, ob die Person minderjährig ist oder schon erwachsen. Das müssen nicht einmal Rachebilder, geleakte Fotos oder Ähnliches sein, es kann auch sein, dass einfach nur beim Baden im Freien am Strand fotografiert wurde und die Fotos ihren Weg ins Netz fanden und nun in ganz anderen Kontext betrachtet werden, als ein normaler Strandausflug. Auch Mastodon hat mittlerweile diese Probleme.
Versuchen wir zumindest, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
Ich werde hier den Thread für mich muten, denn die Recherche war ziemlich heftig. Ziemlich erschrocken bin ich, dass einige Masodon-Instanzen aus Deutschland, auch Bilder nicht freiwillig gelöscht haben bzw. dazugehörige Server geblockt, die sehr junge Mädchen heimlich fotografiert beim Baden gezeigt haben und die vom Ursprungsaccount in einem ganz speziellen Kontext gerückt worden sind. Da man sich hier im Thread ggf. noch austauscht, mute ich daher den Thread, um meinem Geist etwas Abstand vom Thema zu ermöglichen. Mir war es jedoch wichtig darauf aufmerksam zu machen, sodass Menschen ggf. noch einen anderen Blickwinkel bekommen oder vlt. mit der Tochter/Schwester/Freundin darüber sprechen oder das Thema im Unterricht behandeln.