Elek. Patientenakte (ePA) Infoschreiben / interessante Entdeckung zum "lesenden Zugriff"

Ich habe ein Schreiben von meiner Krankenkasse bezüglich der elektronischen Patientenakte (ePA) erhalten. Neben ein paar Werbebotschaften wurde auch auch ein link für weitere Informationen zur Verfügung gestellt: https://www.tk.de/epa2025

Das habe ich mir angesehen und bemerkt, dass meine Krankenkasse unter der Rubrik „Wichtiger Hinweis“ erklärt, dass ein „lesender Zugriff“ gleichbedeutend ist mit „Kopieren“ der Daten (siehe unten unter 1)) Nach meinem Verständnis ist „Lesen“ temporärer Natur und „Kopieren“ eine dauerhafte Angelegenheit – eine interessante Umdefinition, die möglicherweise dafür sorgt, dass demnächst tausendfach Kopien meiner ePA im Umlauf sind. Und welchen Umfang hat der Download eigentlich? Womöglich die ganze Akte - das ist zumindest nicht genannt.

Eine weitere Konsequenz ist, dass der lesende Zugriff für eine bestimmte Gruppe, der eigentlich auf einen definierten Zeitraum begrenzt sein soll (siehe unten unter 2) und 3)), nun dauerhaft wird. Die Krankenkasse schreibt u.a.: „Auch bei einem Entzug der Berechtigung bleiben Daten […] verfügbar." (siehe unten unter 1)).
Aus meiner Sicht ist das ein kompletter Witz, einfach absurd.

Erklärt wird das mit §630f BGB (siehe unten unter 4), da Leistungserbringer ihre Behandlung aus rechtlicher Sicht medizinisch vollständig dokumentieren müssen (siehe unten unter 1).
Der Paragraph definiert allerdings nicht, dass Behandler genau diesen Weg der Dokumentation wählen müssen. Es wird zudem sowohl die Papierform, als auch die elektronische Form erwähnt. Somit taugt das Gesetz nicht zur Erklärung für das Erstellen einer Kopie der ePA bei einem lesenden Zugriff.
Außerdem spricht das Gesetz vom „Behandler“ und die Krankenkasse vom „Leistungserbringer“.

Nach meinem Verständnis ist z.B. der Apotheker kein Behandler.

Meine Krankenkasse schreibt weiter:
„Mit der ePA-App Ihrer Krankenkasse haben Sie die volle Kontrolle über Ihre Daten.“ (Seite 16).
Das ist hiermit widerlegt.

Ich glaube ich muss nicht erwähnen, dass ich der ePA widersprochen habe. :sweat_smile:

Vielleicht liest hier ja ein Jurist mit, der was zum „Behandler“ und „Leistungserbringer“ sagen kann.

Ihr könnt ja auch mal gucken, was bei Euch so im Infotext steht…

Anlage:

Elektronische Patientenakte (https://www.tk.de/epa2025):
1)
Auf Seite 22 steht:
„Wichtiger Hinweis: Ein lesender Zugriff (das heißt ein Kreuz in der Spalte „Auslesen“) bedeutet, dass die Daten aus der ePA heruntergeladen und in die Behandlungsdokumentation der jeweiligen Leistungserbringern übernommen werden können. Auch bei einem Entzug der Berechtigung bleiben Daten, die Leistungserbringer in ihre Behandlungsdokumentation übernommen haben, für die ehemals berechtigte Leistungserbringereinrichtung verfügbar. Der Grund dafür ist, dass sie die Daten durch die Übernahme aus der ePA heruntergeladen und eine eigene Kopie der Daten erstellt haben. Dies ist aus rechtlicher Sicht erforderlich, da Leistungserbringer ihre Behandlung nach §630f BGB medizinisch vollständig dokumentieren müssen.“

Auf den Seiten 20 und 21 sind die unterschiedlichen Zugriffsarten „Schreiben“, „Auslesen“ und „Löschen“ beschrieben, wer diese durchführen darf. Und wie lang der Zugriff möglich ist.

Auf Seite 19 steht:
„6.2 Wie lange kann ein Leistungserbringer standardmäßig auf die ePA zugreifen? Der Zugriff einer Leistungserbringereinrichtung ist standardmäßig nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Ihrem Besuch oder Ihrer Behandlung möglich."

§630f BGB:
(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.

(3) Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.

technisch, wenn du Daten von System A über ein Netzwerk auf System B lesen willst, musst du die Daten immer kopieren. Was man auf System B macht kann man von A nur kontrollieren wenn Software und Netzwerk das vorsehen. Das Internet, Browser, PDF Reader,… sehen das nicht vor.

Stimmt, die Kontrolle auf B gelingt nicht 100%ig. Aber wenn ich als Client was vom Server anfordere (website), lese ich das ja erstmal und ziehe mir nicht gleich eine pdf der Seite und speichere die lokal.
Dann geht noch was in den Cache usw. - also 100% Datenkontrolle werden nie erreicht (ich könnte ja auch screenshots erstellen und speichern). Aber mir geht es um den Download by design, der anscheinend immer geschieht. Mit einer Begründung, die äußerst fragwürdig ist (siehe oben).
Du schreibst ja auch: Wenn Netzwerk und Software das vorsehen, gelingt eine recht gute Kontrolle. Dann muss man genau diese Variante auswählen (z.B. mit geeigneter Software / open source), denn hier werden Gesundheitdaten verwaltet.
Ich finde den Ansatz, dass alle Daten gesetzlich Versicherter zentral irgendwo gespeichert werden, wirklich gruselig. Noch gruseliger ist, wenn zusätzlich zur zentralen Speicherung Kopien der Patientenakten auf Rechnern „rumfliegen“, nur weil man kurz reinschauen (lesender Zugriff) wollte.

missverständnis:

ein Netzwerk und Software das vorsehen, gelingt eine recht gute Kontrolle.

= DRM d.h. Kontrolle und Kopierschutz von Quelle bis Anzeigegerät

Dann gibt es im Hintergrund immer noch kopien, aber die sind vor Zugriff gesichert.

Ich sehe hier keine Bestätigung in deiner Annahme,

(Hervorhebung durch mich)

Ich interpretiere das so, es können Dokumente in die Akte der Praxis übernommen werden. Es wird aber nicht automatisch die gesamte Patientenakte übertragen und dauerhaft gespeichert. Es wird hier explizit unterschieden zwischen „herunterladen“ (temporär) und „übernehmen“ (dauerhaft). Es besteht also lediglich die Möglichkeit Informationen zu übernehmen, aber keine Notwendigkeit.
Hier kann ein Arzt oder jemand, der damit schon aktiv gearbeitet hat aber sicherlich mehr dazu sagen, dann müssen wir nicht darüber spekulieren, wie das in der Praxis tatsächlich umgesetzt ist.

Wenn man Daten zur Einsicht freigibt ist das Schutzziel der Vertraulichkeit gegenüber demjenigen nicht mehr gegeben. Das ist keine Neuerung.
Man muss davon ausgehen, dass sobald man jemanden den (lesenden) Zugriff auf Daten gegeben hat, diese nicht mehr unter der eigenen vollen Kontrolle stehen und beliebig weiterverarbeitet (z.B. dupliziert) werden können. Alles weitere ist lediglich eine Konsequenz davon.

Deshalb sehe ich dahingehend auch keinen Unterschied zu der bisherigen Situation. Wenn ich einem Arzt oder sonstigen Institution physisch Behandlungsdokumente bzw. Daten aushändige, muss ich davon ausgehen, dass diese Informationen dauerhaft über mich bei dem Arzt vorhanden sind, auch wenn ich nicht in den letzten 90 Tagen bei dem Arzt war.

Die relevante Neuerung durch die ePA 3.0 ist, dass man nur die gesamte Akte freigeben kann und eben nicht entscheiden kann, auf welche einzelnen Dokumente man Zugriff gewährt. Dieser Punkt wurde auch bereits von vielen Seiten kritisiert.

Bei so wichtigen Angelegenheiten darf es keinen Spielraum für Interpretation geben. Es sollte definiert und leicht verständlich sein für jeden der des Lesens mächtig ist.

Die Privatkassen haben übrigens keine ePA.

Da stimme ich dir zu. Allgemein ist die Informationslage zur ePA 3.0 im Vergleich zu ihren Auswirkungen aktuell unterirdisch.

M.W. doch, aber opt-in statt opt-out. Mehr kann ich nicht sagen, denn ich haben nicht eingewilligt.

Gerade über dieses, ePA, gestolpert, mal aus ärztlicher Sicht:

https://evidenzdervernunft.solutions/2024/11/24/epa-widerspruchserklaerungen/

Wenn die ePA bei der TK von IBM de gespeichert wird, hat sehr wohl jeder US-Dienst Zugriff (Cloudact).

Die Arzt-Praxis ist ja auch meist mit Windows-Rechnern ausgestattet.

Man stelle sich vor, wie Windows 11 über die neue „Recall“-Funktion den Bildschirminhalt aufzeichnet, während die Sprechstundenhilfe die Patientenakte von Patient X einsieht.

Das wäre dann auch eine Art des Kopierens der Daten, direkt zu Bigtech und Datensammlern.

Ich finde, dass bei Projekten dieser Dimension und mit kritischen oder sensiblen Daten das komplette Ökosystem mit bedacht werden sollte. Beispiel: Einsatz der ePA nur an Linux-Rechnern und mit Opensource-Software.

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Die Windowsproblematik betrifft im Grunde das gesamte Land. Welche Verwaltung kommt ohne aus?
Digitale Souveränität ist das nicht.

Oh je, stimmt, daran hab ich noch gar nicht gedacht. Dazu allerdings braucht es gar nicht die ePA, es hat doch ziemlich jeder Arzt die eigene Patientenakte (Diagnose, Verdachtsdiagnose, was hat der Patient gesagt, was wurde untersucht, was kam raus, welche Medikamente…) auf dem Computer, also i.d.R. Windows.

https://support.microsoft.com/de-de/windows/verfolgen-sie-ihre-schritte-mit-recall-aa03f8a0-a78b-4b3e-b0a1-2eb8ac48701c

IBM ist bei TK z.B. Auftragsverbeiter was die Digitale-ID (auch ohne ePA möglich) angeht, aber nur zur Authentifizierung. ePA Daten bekommen die nicht.
Laut TK werden selbst die Daten nur auf deutschen Servern gespeichert. Aber Admins könnten darauf zugreifen. Ich musste so hart lachen, aber gut.
Wenn alle so naiv sein dürften, wären wir alle schon verloren.

Hätte uns nur jemand gewarnt:

https://blog.fefe.de/?ts=99b64769

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Danke für den Link. Es lohnt sich auch, den Titel vom heise-Artikel hervorzuheben:
Lauterbach zu Gesundheitsdaten: Google, Meta, und OpenAI melden Interesse an

Damit sollen Forscher nach erfolgreichem Antrag Zugriff auf die Daten erhalten, wobei der Forschungszweck entscheidend ist und nicht, wer den Forschungsantrag stellt.

Dabei ist es Lauterbach zufolge so, „dass der Datensatz nie dieses sichere Umfeld verlässt“. Forschern sei es möglich, den Datensatz auch mit KI zu nutzen, aber die Daten würden die vertrauenswürdige Ausführungsumgebung nicht verlassen.

„Daher interessieren sich auch die Hersteller aller großen KI-Systeme für diesen Datensatz. Wir sind im Gespräch mit Meta, mit OpenAI, mit Google, alle sind daran interessiert, ihre Sprachmodelle für diesen Datensatz zu nutzen, beziehungsweise an diesem Datensatz zu arbeiten“, so Lauterbach.

Meine Frage dazu: Wie soll ein Datenabfluss von der „vertrauenswürdigen Ausführungsumgebung“ verhindert werden, wenn eine auf amerikanischen Servern laufende Google-KI Zugriff erhält, Gesundheitsdaten (der gesamten, deutschen Bevölkerung) auszuwerten?

Zuerst war ich vorsichtig optimistisch be der ePA, inzwischen klingt das einfach nur noch verantwortungslos.